Behinderung

Der neue Stern

Fast 500 Kilometer bin ich schon mit ihm gefahren. Ein neuer Stern an meinem Himmel. Und bisher knarzt nichts. Und er fährt. Sehr leise, fast nicht zu hören. Gut dosierbar, mitunter auch sehr kräftig. Sehr viel Platz, sehr viel Komfort. Ich will es nicht zu früh sagen, aber im Moment bin ich schwer begeistert. Und hoffe, dass die Begeisterung nun mal anhält. Der nachträgliche Umbau hat ein wenig länger gedauert als geplant, dafür scheint aber auch dabei alles gut verlaufen zu sein. Es ist alles auf richtiger Höhe, richtig eingestellt, klappert nicht – alles Dinge, die selbstverständlich sein sollten, sich… Weiterlesen »Der neue Stern

Wanda

Der Regen, das Gewitter – wenn die Stinkesocke an den Strand fährt, halten sich die beiden ausnahmsweise mal zurück. Überall dunkle Wolken, auf der Hinfahrt öfter mal den Scheibenwischer eingeschaltet. Und zehn Kilometer vor der Küste strahlender Sonnenschein. Ich war mit Marie und noch zwei anderen Rollstuhlfahrerinnen dort. Die beiden anderen Rollstuhlfahrerinnen kannten wir locker, hatten uns vorher ein paar Mal getroffen, und uns verabredet, einmal gemeinsam an den Strand zu fahren. Dabei hätte uns eigentlich vorher klar sein müssen, dass das eine Schnapsidee war, denn die beiden konnten sich nicht vorstellen, dass man mit dem Rollstuhl am Strand klar… Weiterlesen »Wanda

Nicht vermittelbar

Pflege und Assistenz von Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen wird, nachdem die Kosten oft die Höchstbeträge der gesetzlichen Pflegeversicherung überschreiten (oder dort nicht vorgesehen sind), von den betroffenen Personen, unabhängig ihres Verschuldens, selbst gezahlt. Oder von ihren Ehe- bzw. Lebenspartnern. Nur wenn diese die oft hohen Summen nicht zahlen können, springt der Staat, in diesem Fall die Sozialhilfe, für die Kosten ein. Immerhin wird, wenn auch oft lückenhaft oder unangemessen begrenzt und oft nicht standardisiert, sondern mitunter von Faktoren wie Wohnort oder Sachbearbeiter abhängig, Menschen mit entsprechenden Behinderungen schonmal grundsätzlich das Recht auf Teilhabe und damit verbunden die dazugehörige Leistung… Weiterlesen »Nicht vermittelbar

Ihr Kind, ihre Erziehung

Manche Menschen sollten keine Kinder haben. Und in einem Fall meine ich das durchaus ernst. Was habe ich mich heute aufgeregt! Nicht weit von Maries und meiner Wohnung am Studienort entfernt wohnt eine Familie. Im zweiten Stock. Das Kind ist schätzungsweise vier oder fünf Jahre alt. Hin und wieder sieht man die Mutter das Kind in einen Fahrradanhänger verladen und mit dem kleinen Mädchen zum Einkaufen fahren. Wenn ich für meine Uni am Schreibtisch sitze, fällt mein Blick manchmal nach draußen und ich sehe die beiden. So auch heute. Heute sah ich allerdings nur die Tochter. Und zwar in der… Weiterlesen »Ihr Kind, ihre Erziehung

Eine besondere Nacht

Es ist alles irgendwie anders. Bei mir, bei ihm, bei uns. Mit uns. Ich wünsche mir eine liebevolle Partnerschaft, ich möchte Sex … achso, sorry, zusammen mit dem Stichwort sollte ich davor warnen, dass dieser Beitrag vielleicht für den einen oder die andere zu viele Informationen enthalten könnte … also Sex, möglichst sofort und so oft und so lange bis das Defizit der letzten Jahre ausgeglichen ist; aber gleichzeitig geht es mir wie vielen Frauen: Ich freue mich über jeden Tag, an dem mir Philipp zeigt, dass es ihm, obwohl er anfänglich gar nichts von mir wollte, zunächst um alles… Weiterlesen »Eine besondere Nacht

Maut, maut

Nun kommt sie also. Die Maut für Pkws. Vorausgesetzt, dieses aufwändige System wird nicht noch von der EU kassiert. Was mir vor allem widerstrebt, ist die damit verbundene Erfassung und Nutzung von Daten. Ich schätze, es dauert nun nicht mehr lange, bis diese Datensätze auch offiziell für die Terrorbekämpfung und die Aufklärung schwerer Verbrechen genutzt werden dürfen. Menschen mit Behinderung, die (sinngemäß) sich nur im Rollstuhl oder ähnlich eingeschränkt fortbewegen können, die blind sind oder in erheblichem Umfang ständig hilfebedürftig, sind in Deutschland von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Dieser Personenkreis könnte also theoretisch eine Flugzeugturbine als Antrieb verwenden – Steuern fallen… Weiterlesen »Maut, maut

Inklusion selbstgemacht

Menschen mit Behinderung sind in ihrer Berufswahl bisweilen erheblich eingeschränkt. Insbesondere bei körperlich schwer beeinträchtigten Menschen, die im Alltag persönliche Assistenz benötigen, lohnt sich ein Job meistens nicht, weil das Gehalt für die Assistenz draufgeht. Manchmal ist aber auch die technische Realisierung unmöglich oder zumindest unverhältnismäßig, manchmal stehen auch klare gesetzliche Regelungen dem Berufswunsch entgegen. Von alledem, insbesondere von den klaren gesetzlichen Regeln, hat sich ein 38jähriger Rollstuhlfahrer aus Karlsruhe überhaupt nicht beeindrucken lassen. Der seit einem Arbeitsunfall vor etwa fünf Jahren querschnittgelähmte Mann war selbständig tätig, bevor er bei der Ausübung seiner Tätigkeit aus großer Höhe abgestürzt sein soll… Weiterlesen »Inklusion selbstgemacht

Cygnus olor

Männer können schon liebevolle Menschen sein. Wenn ich so über Philipp nachdenke, weiß ich, was mir in den letzten Jahren gefehlt hat. Nicht, dass Marie oder ihre Eltern mich nie verwöhnt hätten. Das meine ich nicht. Ich meine, dass es schon etwas Besonderes ist, wenn jemand seinen kompletten Arbeitstag um Stunden nach hinten verschiebt, nur, um mit mir frühstücken zu können. Und frische Brötchen mitbringt. Zum Beispiel. Männer können aber auch sehr verspielt sein. Wie kleine Kinder. Da ich Kinder mag, gefällt mir natürlich auch ein verspielter Philipp. Es ist keine nervige Verspieltheit, wie bei jenen Typen, die ungefragt erstmal… Weiterlesen »Cygnus olor

Verborgene Stärke

Ob es Spaghetti werden würden, hatte Philipp bis zuletzt offen gelassen. Maries Eifersucht hielt sich zum Glück sehr in Grenzen. Sie muss auch nicht sein, denn ich bin nicht diejenige, die für eine Beziehung alle Freundschaften aufgibt oder vernachlässigt. „Falls da irgendwo ein geschlechtsreifer Bruder rumläuft, der ebenfalls Single ist, schick ihn bitte umverzüglich zu mir“, meinte sie. So stand ich nach einem langen Arbeitstag frisch geduscht und hungrig vor einer Einfamilienhaushälfte im Hamburger Umland und kam immerhin von der Straße bis kurz vor die Haustür. Drei Stufen davor, die Klingel wäre vielleicht mit einem langen Besenstiel zu erreichen. Aber… Weiterlesen »Verborgene Stärke

Haare waschen und Spaghetti

Mein persönlicher Schwimmtrainingsplan richtet sich zurzeit nach zwei Dingen. Erstens nach meiner umfangreichen Arbeitszeit. Zweitens nach Philipp. Ich schwimme wesentlich leichter und schneller, wenn er auch im Becken ist. Und das muss nicht mal dieselbe Bahn sein. Außerdem funktioniert es wie bei der Homöopathie: Man muss nicht mal wissen, ob er da ist, es wirkt einfach. Zum Glück herrscht zwischen uns unausgesprochen Einigkeit, dass wir im Trainingsbecken und damit vor anderen Schwimmerinnen und Schwimmern nichts anderes machen als Schwimmen. Damit will ich keineswegs andeuten, dass ich mir nichts im Wasser vorstellen könnte. Aber wenn, dann da, wo es niemand mitbekommt… Weiterlesen »Haare waschen und Spaghetti