Studium

Biester und Hexen

Sie bleibt spannend, die Diskussion darüber, ob ich mit jedem Patienten (Kunden) über meine Behinderung sprechen muss. Ob es unfreundlich ist, das abzulehnen. Ob ich verbiestert oder gar eine alte Hexe bin, wenn ich ein an meinem Arbeitsplatz von einem Patienten (Kunden) begonnenes Gespräch über die Amputation meiner Beine unwirsch im Keim ersticke. Wenn ich sogar angefasst reagiere auf diesen aus meiner Sicht nach wie vor unsäglichen und unerträglichen Vorstoß. Gleich einreihen in diese Diskussion möchte ich die Frage, ob von mir ständige Höflichkeit erwartet wird. Ob ich wirklich auf Augenhöhe kommunizieren darf. Ob ich Fragen zurückweisen darf, auch wenn… Weiterlesen »Biester und Hexen

Opfer-Kastanie und Splitter-Patient

„Liegt ein Mann in der Notaufnahme.“ – So könnte ein Witz beginnen. Aber wer erzählt ihn mir? Wie langweilig wäre doch mein Studentenleben ohne den wöchentlichen praktischen Tag. Im Moment in der Chirurgie und heute nochmal aushilfsweise in der Notaufnahme. Fachkräfte werden eben gebraucht… Aktuell dabei: Schülerpraktikant Nick. Soziales Pflichtpraktikum. Nick ist 14 und dauernd auf Sendung. Genauer gesagt: Er muss alles kommentieren und brabbelt dafür in jeden Satz, selbst dann, wenn er gar nicht für ihn bestimmt ist. „In der Vier liegt ein Mann um die 60 mit einem Splitter im linken Fuß. Jule, das können Sie alleine.“ –… Weiterlesen »Opfer-Kastanie und Splitter-Patient

Ein roter Fleck

Das war doch mal ein überwiegend lustiger Praktikumstag! Endlich hatte ich mal richtig viel Spaß bei meiner praktischen Arbeit, die ich in diesem Semester einmal wöchentlich in der Chirurgie ableisten muss und die mir die nötigen Erfahrungen vermitteln soll. Der Hauptgrund dafür war wohl eine Ärztin, an deren Fersen ich mich heften sollte. Ich kann kaum beschreiben, warum sie mir so sehr gefiel. Es war vermutlich ihre direkte und unvoreingenommene Art, vielleicht aber auch ihr deutlich wahrnehmbarer Gefallen an ihrer Arbeit. Sie bat mir gleich das „Du“ an, was erfahrungsgemäß nicht selten, aber auch nicht selbstverständlich ist, und während ich… Weiterlesen »Ein roter Fleck

Diesel, Bratwurst und Muskelschwund

Was für eine dicke Suppe! Bis kurz vor Hannover war das Wetter noch schön, von dort an wurde die Sicht immer schlechter. Als Marie und ich am Freitag in Hamburg aus dem Zug stiegen, kam man sich vor wie in einer Waschküche. Stellenweise konnte man keine 50 Meter weit gucken. Und so schauten wir beispielsweise an der Tankstelle auch zwei Mal hin: Diesel für 1,17 € pro Liter? Tatsächlich. Das Riesenrad auf dem Winterdom, dem Volksfest in Hamburg, drehte leer seine Runden. Was wohl daran lag, dass man von unten noch die ersten fünf Gondeln erkennen konnte, darüber aber alles… Weiterlesen »Diesel, Bratwurst und Muskelschwund

Zu schwach

Ich glaube, die Chirurgie und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr. Mein aktueller Anleiter findet, Chirurgie sei ein Knochenjob, und Menschen, die körperlich bereits nicht voll fit sind, seien zu schwach dafür und hätten dort nichts zu suchen. Dabei will ich nur mein Praktikum durchziehen, das verpflichtend im klinischen Teil des Studiums ist (und in späteren Abschnitten werde ich noch weitere Pflichtteile in der Chirurgie haben), meine Scheine bekommen und mich dann so schnell wie möglich wieder anderen Bereichen widmen. Ich werde vermutlich auch später keine Facharztausbildung in der Chirurgie anstreben. Aber die Pflicht-Inhalte traue ich mir schon… Weiterlesen »Zu schwach

Das Gute im Menschen

Wie es wieder funktioniert! Immer wieder die gleiche Masche, immer wieder die gleichen Leute, die darauf reinfallen und sich instrumentalisieren lassen. Ich begreife es nicht. Alles Reden nützt nichts. Schon Martin Luther hatte Gutes im Sinn, als er empfahl, nicht alles zu glauben, was man hört, und nicht alles zu sagen, was man weiß. Ich weiß nicht, wie egoistisch und wie abgebrüht man sein muss, um Gerüchte über jemanden zu verbreiten, die geeignet sind, mal eben ganz großen Schaden anzurichten: Ein Kommilitone soll Geld unterschlagen haben. Öffentliches Geld, das ihm zu Forschungszwecken bewilligt wurde. So ein Vorwurf kann schlimmstenfalls eine… Weiterlesen »Das Gute im Menschen

Unbequeme Freunde

Ich hatte gestern erneut Kontakt mit Gerd. Jenem 51 Jahre alten Patienten, der vor einigen Wochen einen schweren Verkehrsunfall hatte, und der letzte Woche völlig desorientiert war. Ich bin im Rahmen einer schriftlichen Hausarbeit von meinem Professor darauf hingewiesen worden, dass zwingend auch einige allgemeine Befunde mit erhoben und aufgeschrieben werden müssen. Er wurde beinahe etwas böse: „Das haben Sie ja nun schon etliche Male gemacht und wissen es daher. Warum werden Sie da jetzt nachlässig?“ „Ich bin da keineswegs nachlässig“, widersprach ich und sagte, dass ich jüngst in meinem Praktikum gelernt hätte, dass jene Beobachtungen, die ich keiner chirurgischen… Weiterlesen »Unbequeme Freunde

Eine Rheinfahrt mit Tanz

Als kleine Entschädigung für den gestrigen hektischen Praktikumstag durfte ich heute noch einmal ins Krankenhaus. Allerdings nur zu einem speziellen Patienten. Ich nenne ihn mal Gerd. Gerd ist 51 Jahre alt, ist allem Anschein nach vor zwei Monaten mit seinem Auto gegen einen Kleinlaster gedonnert, als er als Geisterfahrer auf der Autobahn unterwegs war. Er soll nachts bei Regen im Baustellenbereich für seine Richtung eine dritte Spur aufgemacht haben, an einer Stelle, wo laut Polizei nur zwei Spuren pro Richtung eingerichtet waren. So erzählt es die Schwester. Gerd ist Familienvater, war auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, ist… Weiterlesen »Eine Rheinfahrt mit Tanz

Handarbeit

Früher gehörte zum Medizinstudium angeblich noch nicht so viel Praxis wie heute. Dennoch könnte es viel mehr sein. Okay, mein Praktisches Jahr kommt ja noch, aber ich persönlich habe das Gefühl, ich lerne mehr, wenn ich Theorie und Praxis gleichzeitig vermittelt bekomme, statt erst die komplette Theorie zu büffeln und später alles verknüpfen zu müssen. Aber das ist keine Kritik am System, zumal es unter Garantie auch 100 gute Gründe gibt, warum das Studium genau so und nicht anders aufgebaut ist. Ich erfahre aber auch, dass unterschiedliche Hochschulen sich im Rahmen der Möglichkeiten unterschiedlich für einen frühzeitigen höheren Praxisanteil engagieren.… Weiterlesen »Handarbeit

Wurmfortsatz und Scheißegal

Es gibt so Vorlesungen, die gibt es gar nicht. Möchte man denken. Während da vorne jemand über die Entzündung des Wurmfortsatzes, im Volksmund auch „Blinddarmentzündung“ genannt, obwohl sich eigentlich nicht der komplette Blinddarm, sondern nur der Wurmfortsatz entzündet, … also während da vorne jemand referiert, bin ich kurz vor dem Einschlafen. Ich muss mich enorm zusammenreißen, damit meine Augen nicht zufallen. Und während ich so dem monotonen Dialog zuhöre, sagt der Dozent: „Manche Behinderte erfühlen die Diskriminierung mit ihrem Wurmfortsatz. Und nun lass den sich mal entzünden.“ Wat is los?!? Ich war plötzlich wieder hellwach. Hatte er mich einschlafen sehen… Weiterlesen »Wurmfortsatz und Scheißegal