Menschen

Inklusion selbstgemacht

Menschen mit Behinderung sind in ihrer Berufswahl bisweilen erheblich eingeschrĂ€nkt. Insbesondere bei körperlich schwer beeintrĂ€chtigten Menschen, die im Alltag persönliche Assistenz benötigen, lohnt sich ein Job meistens nicht, weil das Gehalt fĂŒr die Assistenz draufgeht. Manchmal ist aber auch die technische Realisierung unmöglich oder zumindest unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig, manchmal stehen auch klare gesetzliche Regelungen dem Berufswunsch entgegen. Von alledem, insbesondere von den klaren gesetzlichen Regeln, hat sich ein 38jĂ€hriger Rollstuhlfahrer aus Karlsruhe ĂŒberhaupt nicht beeindrucken lassen. Der seit einem Arbeitsunfall vor etwa fĂŒnf Jahren querschnittgelĂ€hmte Mann war selbstĂ€ndig tĂ€tig, bevor er bei der AusĂŒbung seiner TĂ€tigkeit aus großer Höhe abgestĂŒrzt sein soll… Weiterlesen »Inklusion selbstgemacht

Nachruf

Auf dem Weg zu Marie fuhren wir an einem öffentlichen VerwaltungsgebĂ€ude der Stadt vorbei, das nachts recht dezent angestrahlt wird und vor dessen Eingang drei Fahnenmasten stehen. Die Hamburg-Fahne hĂ€ngt dort hin und wieder zusammen mit der des Bezirks, in dem das GebĂ€ude steht. Am Christopher-Street-Day flatterte dort auch schon mal die Regenbogenfahne. Heute sah ich im Vorbeifahren aus dem Augenwinkel Europa, Deutschland und Hamburg – alle drei auf Halbmast. Nach der dreitĂ€gigen Staatstrauer um die ermordeten Mitarbeiter von Charlie Hebdo Mitte des Monats und dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar ist das nun… Weiterlesen »Nachruf

Frohes Neues

Mein neues Jahr begann besser als das alte endete. Ich will nicht behaupten, dass es ein schlechter Silvester-Abend war, den ich verbracht habe, aber er hatte durchaus entspannter werden dĂŒrfen. Wenn das allerdings der Preis fĂŒr ein schönes und entspanntes 2015 war, war es okay. Letztlich bin ich bei einer Gratwanderung mal wieder falsch abgebogen. Was einer Rollstuhlfahrerin auch mal passieren kann – ich bitte um Nachsicht
 „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ heißt es einerseits im Volksmund. Andererseits ist jedes Wagnis auch immer mit einem Riskiko verbunden – das liegt in der Natur der Sache. Unser Wagnis war, dass… Weiterlesen »Frohes Neues

Ein GoldstĂŒck

Ich bin aufgeregt! Unsere Baufirma möchte sich gerne eine ZusatzprĂ€mie verdienen und bietet an, unser Bauobjekt bereits am 2. Januar (statt bisher am 29. Januar) schlĂŒsselfertig zu ĂŒbergeben. Bereits das Richtfest war gut 14 Tage frĂŒher als eigentlich geplant. Zum GlĂŒck halte ich mich da fast völlig raus und vertraue auf Menschen mit Erfahrungen, die raten, von solchen Deals die Finger zu lassen. Es ist ein Vertrag geschlossen, den wir beide einhalten. Es wird nicht mittendrin neu verhandelt. Wenn die Firma freiwillig frĂŒher die vereinbarte Leistung abliefert und/oder sie besonders gut abliefert, wird man sich sicherlich erkenntlich zeigen. Aber vertraglich… Weiterlesen »Ein GoldstĂŒck

Konservative Eltern

Mit dem Versuch, einen gut aussehenden Typen abzuschleppen und mehr oder weniger direkt ins Bett zu kriegen, bin ich gescheitert. Vielleicht bin ich zu schĂŒchtern, vielleicht zu brav, ich weiß es nicht. SpĂ€testens, wenn er mit mir Karussell fĂ€hrt, lĂ€uft es wohl allenfalls auf etwas lĂ€ngerfristiges und intensiveres hinaus. SchĂ€tzungsweise. Und warum das nicht klappen wird, weiß ich inzwischen auch. Meine Behinderung. Ja, ich kann es auch langsam nicht mehr hören. Er finde mich zwar nett (inzwischen glaube ich auch, dass ’nett‘ die kleine Schwester von ‚Scheiße‘ ist) und auch durchaus attraktiv, reizvoll, spannend, vielleicht sogar sexy, er sei, wie… Weiterlesen »Konservative Eltern

Hilfe zum FĂŒhrerschein

Ich hatte einen schönen Abend mit einem Freund, wir haben uns ĂŒber alles Mögliche und Unmögliche unterhalten. Und er erzĂ€hlte mir von seinem Abenteuer mit der Fahrschule, das ich unbedingt aufschreiben möchte. Der Mann ist fast doppelt so alt wie ich und hat seit ĂŒber 20 Jahren eine Fahrerlaubnis. Hatte noch nie Punkte in Flensburg, noch nie einen Unfall verschuldet – und fĂ€hrt pro Jahr zwischen 30.000 und 50.000 Kilometern. Das Auto bedient er mit den HĂ€nden, denn auch er ist Rollstuhlfahrer. Wir kennen uns vom Sport. Ich kenne nun inzwischen mehrere Leute, mit denen er Autofahren in der Großstadt… Weiterlesen »Hilfe zum FĂŒhrerschein

Ohne Unterhose im Kettenkarussell

Ich gehöre zu den Menschen, die ihr Handy nachts lautlos stellen. Wenn ich gefragt werde, warum, erzĂ€hle ich immer die Geschichte aus einem Trainingslager, als ich mit einer anderen jungen Frau aus Niedersachsen in einem Zimmer schlief. Beziehungsweise: Sie schlief, alle anderen waren wach. Weil alle anderen im Gegensatz zu ihr nicht daran gewöhnt waren, dass ein technisches GerĂ€t nachts in einer Tour irgendwelche GerĂ€usche von sich gibt. So ein leises, diskretes „Plopp“ oder „Klack“ kann ich auch noch ĂŒberhören, aber spĂ€testens, wenn das Ding ganze Melodien pfeift oder irgendwelche AlltagsgerĂ€usche immitiert, bin ich hellwach. Besagtes Handy der Niedersachsin konnte… Weiterlesen »Ohne Unterhose im Kettenkarussell

Im freien Fall

Kein Anruf, auch kein Sturmklingeln an der TĂŒr. Der Hund spitzt die Ohren, rennt aufgeregt zur TerrassentĂŒr, weiß nicht genau, ob er was gehört hat oder nicht. Guckt Marie ratlos an. Sie löst ihren Blick vom Fernseher, fragt: „Na, hörst du wieder die RegenwĂŒrmer husten?“ – Der Hund legt den Kopf schief. Maries Mutter blickt von ihrer Zeitschrift hoch und kommentiert: „RegenwĂŒrmer? Die schmecken nicht. Gib mir lieber die Gulaschreste aus dem KĂŒhlschrank. Ich weiß genau, dass da noch welche sind.“ Der Hund bellt. Also doch was gehört? Bestimmt irgendein Tier, das sich in den Garten verirrt hat. Der Hund… Weiterlesen »Im freien Fall

Das sechste Gyrosbaguette

Zum sechsten Mal jĂ€hrt sich mein Verkehrsunfall, der den Verlauf meines Lebens entscheidend geprĂ€gt hat. Gyrosbaguette ist ein Stichwort, das nicht fehlen darf. Sollte ich eines Tages beschließen, mich nur noch vegetarisch oder gar vegan zu ernĂ€hren: Einmal im Jahr mĂŒsste ich eine Ausnahme machen. Und ja, einmal im Jahr muss ich nach wie vor nach Wandsbek-Gartenstadt, um zu schauen, ob der Heli dort noch steht. Er stand. Er wurde gerade betankt. Ein Mann stand mit einer Videokamera am Zaun und filmte. Als er mich sah, grĂŒĂŸte er. „Na, was meinst du, starten die heute nochmal?“ – „Ich weiß es… Weiterlesen »Das sechste Gyrosbaguette

Im Schlafanzug

Der Idiotenmagnet gehört inzwischen wohl zu mir wie ein Wahrzeichen zu einer Stadt. Vielleicht Ă€ndert sich das im Laufe der nĂ€chsten Jahre bis Jahrzehnte noch, wenn das VerstĂ€ndnis von „Behinderung“ einen anderen Umgang mit beeintrĂ€chtigten Menschen erlaubt. WĂŒnschenswert wĂ€re es. Dann bliebe es mir vielleicht erspart, dass mich am Geldautomaten ein Mann um die 60 anspricht, ob ich nicht froh sei, in der heutigen Zeit zu leben, in der Behinderte auch ein Lebensrecht hĂ€tten. Ein weiterer Magnet hat sich in den letzten Monaten herausgebildet. Ich nenne ihn mal den Blaulicht-Magneten. Vielleicht finden meine Leserinnen und Leser noch eine bessere Bezeichnung… Weiterlesen »Im Schlafanzug